Verfassungsbeschwerde von US-Kanzlei unzulässig

Von Karsten Groeger.


Die US-Kanzlei Jones Day betreute den Volkswagenkonzern während der in den USA durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen im Abgasskandal und wurde u.a. mit der internen Sachaufklärung beauftragt. Dementsprechend nahm die US-Kanzlei, die auch Büros in Deutschland betreibt, im September 2015 bei der Volkswagen AG interne Ermittlungen auf, beriet in Rechtsfragen und vertrat die Volkswagen AG gegenüber den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden. Im Zuge der internen Ermittlungen wurden u.a. Mitarbeiter befragt und Dokumente gesichtet. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt im Zusammenhang mit Vorgängen rund um die 3-Liter-Dieselmotoren der zum Konzern gehörenden Audi AG. Die Ermittlungen wegen Betrugsverdachts und strafbarer Werbung richteten sich zunächst gegen unbekannt, später gegen mehrere, hier nicht zu nennende Beschuldigte. Darüber hinaus leitete die Staatsanwaltschaft am 29.06.2017 ein Bußgeldverfahren ein. Ebenso ermittelte die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen ähnlicher Vorwürfe in Bezug auf einen 2-Liter-Dieselmotor.

US-Kanzlei wird in Deutschland durchsucht

Am 06.03.2017 ordnete das Amtsgericht München auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Münchner Geschäftsräume der Kanzlei an. Die daraufhin vollzogene Durchsuchung fand am 15.03.2017 statt. Dabei wurden Akten beschlagnahmt und ein umfangreicher Bestand an elektronischen Daten sichergestellt. Gegen die Sicherstellung beschritten sowohl Volkswagen als auch Jones Day erfolglos den Rechtsweg.

Gegen die Durchsuchungsbeschlüsse und die Sicherstellungen erhob zunächst die Volkswagen AG zwei Verfassungsbeschwerden. Ebenfalls riefen einerseits die Rechtsanwaltskanzlei Jones Day in eigenem Namen, andererseits drei der Kanzlei angehörige Rechtsanwälte das Bundesverfassungsgericht an. Volkswagen macht geltend, durch die angegriffenen Maßnahmen in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Die Rechtsanwälte berufen sich auf eine Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit ihrer Geschäftsräume (Art. 13 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), ihrer informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der Rechtsstaatsgarantie (Art. 20 Abs. 3 GG). Die US-Kanzlei selbst rügt die Verletzung der gleichen Rechte wie die ihr angehörenden Anwälte sowie zusätzlich eine Verletzung ihres Eigentumsrechts (Art. 14 GG).

Beschluss über die Verfassungsbeschwerden der Volkswagen AG (2 BvR 1405/17)

Die Beschwerde der Volkswagen AG ist unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis mangele. Die Volkswagen AG sei nicht unmittelbar vom Grundrechtseingriff in Art. 13 GG betroffen, da lediglich die Kanzleiräume von Jones Day von der Durchsuchung betroffen waren. Einen Grundrechtseingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Automobilskonzerns sieht das BVerfG zwar als gegeben, jedoch durch die – verfassungskonforme – Vorschrift des § 110 StPO als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an. Ebenso sei das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs.1 Nr. 3 StPO nicht einschlägig, da eine zu weite Auslegung dieses Tatbestandes ein erhebliches Missbrauchspotenzial mit sich bringe und die – seinerseits verfassungsrechtlich gebotene – Effektivität der Strafverfolgung erheblich beschnitten werden würde.

Beschluss über die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwälte der US-Kanzlei Jones Day (2 BvR 1562/17)

Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwälte der US-Kanzlei verwarf das Bundesverfassungsgericht mangels Beschwerdebefugnis als unzulässig. Der Vortrag der Rechtsanwälte erfülle schon die gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht, da es nicht gelungen sei, darzustellen, inwieweit die Durchsuchungsanordnung und die Bestätigung der Sicherstellung sie in ihren Grundrechten verletzt haben. Eine Berufung auf die Unverletzlichkeit der Geschäftsräume nach Art. 13 GG komme deshalb nicht in Frage, weil dieses Grundrecht nur die Unternehmer selbst, nicht aber die Arbeitnehmer schütze. Zwar war einer der Beschwerdeführer selbst Partner der Kanzlei, das Nutzungsrecht stand aber den Partnern nur gemeinsam zu.

Beschluss über die Verfassungsbeschwerden von Jones Day (2 BvR 1287/17)

Die in eigenem Namen eingelegten Verfassungsbeschwerden der US-Kanzlei Jones Day sind unzulässig, da diese keine inländische juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG sei. Die US-Kanzlei habe die Rechtsform einer Partnership nach dem Recht des US-Bundestaates Ohio und darüber hinaus nichts vorgetragen, dass auf einen Hauptverwaltungssitz in Deutschland oder einem anderen Land der Europäischen Union schließen ließe. Auch wenn ihr Münchener Standort von staatlichen Ermittlungsmaßnahmen betroffen ist, werden ihre Verfassungsbeschwerden nicht wie die einer inländischen juristischen Person behandelt. Eine Herleitung der Grundrechtsberechtigung analog der Entscheidung 2 BVR 1036/08 scheide aus, da die Kriterien dieser Entscheidung im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien.

Britischen Kanzleien droht gleiches Schicksal

Nach dieser Entscheidung ist es durchaus denkbar, dass sich britische Kanzleien mit Büros in Deutschland nach einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union einem ähnlichen Problem gegenübersehen.

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