Künstliche Intelligenz und Recht

Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, KI oder AI) und maschinelles Lernen (Machine Learning) sind derzeit in aller Munde und erfreuen sich großer Beliebtheit. Ob eingebettet in Internetforen wie Discord, auf eigens vorgesehen Webseiten wie playgroundai.com oder aber im Rahmen von Apps – “smarte” Bots können chatten, ChatGPT schreibt Texte, Aufsätze und Artikel, intelligente Anwendungen kreieren “Kunst” oder s.g. “Deepfakes”, also Fotos oder Videos, die täuschend echt wirken und nicht mehr ohne Weiteres als Computeranimationen identifiziert werden können. Künstliche Intelligenz verändert unsere Lebens- und Arbeitswelt, stellt Gesellschaft und Politik vor neue Herausforderungen und wird das Zusammenwirken von Mensch und Maschine sowie unser Verhältnis zu Computern und informationstechnischen Systemen neu ordnen. Hierbei ergeben sich schon jetzt vielfältige rechtliche Probleme, Unklarheiten und Anforderungen an ein zukünftiges Recht, das eine Lebenswirklichkeit vorfinden wird, auf die es neue und praktikable Antworten wird finden müssen. Unsere neue Serie “KI & Recht” will diese juristischen Fragestellungen aufwerfen, beleuchten und – wo möglich – Antworten bieten.

Künstliche Intelligenz – Aktuelle Beispiele

ChatGPT (Generated Pre-Trained Transformer 4.0)

Ich habe ChatGPT gebeten, einen Einleitungstext für einen juristischen Webseitenartikel über künstliche Intelligenz zu schreiben.

Folgender Promt, also Befehl an die KI, wurde verwendet:

“Schreibe einen kurzen deutschen Einleitungstext für einen Webseitenartikel über Künstliche Intelligenz und Recht.”

ChatGPT gibt folgendes Ergebnis aus:

“Künstliche Intelligenz und das Recht sind zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Bereiche. Doch in einer zunehmend digitalisierten Welt verschwimmen die Grenzen zwischen ihnen immer mehr. In unserem heutigen Artikel werden wir uns mit der faszinierenden Schnittstelle zwischen KI und Recht beschäftigen. Erfahren Sie, wie Künstliche Intelligenz die juristische Landschaft revolutioniert, welche Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben und wie die Rechtsbranche sich an die neuen Gegebenheiten anpasst. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt der “Juristischen KI” und entdecken Sie, wie diese Technologie unsere Rechtsprechung, Vertragswesen und Rechtsberatung transformiert.”



Erstaunlich, oder? Dieser Text hätte so – oder so ähnlich – auch von mir stammen können. Formuliert, bzw. zusammengesetzt wurde er jedoch vom System ChatGPT 3.5 – einem Textgenerator, der Methoden des maschinellen Lernens nutzt, insbesondere das “Large Language Model (LLM)“.

Doch bei der Verwendung dieses Systems ist Vorsicht geboten. Ungesehen, bzw. unkontrolliert sollte man die vom Chat-Bot ausgegebenen Texte nicht verwenden. Genau dies hatte nämlich ein New Yorker Rechtsanwalt getan, der einen Kläger in einem Schadenersatzprozess gegen eine Airline vertrat. Er bat ChatGPT, seinen Schriftsatz zu verfassen. Und siehe da: Die Künstliche Intelligenz dachte sich kurzer Hand “passende” Präzedenz-Entscheidungen aus, die das Begehren des Klägers vermeintlich stützten (“Petersen v Iran Air” und “Martinez gegen Delta Airlines”). Das Problem nur: Die Urteile (nebst Aktenzeichen und wörtlichen Zitaten) hat die KI frei erfunden, wie die gegnerischen Rechtsanwälte herausfanden. Dem Klägeranwalt hat das nicht nur den Vorwurf des Prozessbetrugs, sondern auch erheblichen Ärger mit der Bar Association (Rechtsanwaltskammer) eingebracht.

Midjourney: Die Verhaftung von Donald Trump

Mitte März 2023 kursierten plötzlich Fotos einer vermeintlichen spektakulären Verhaftung des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump u.a. auf der Plattform X (damals noch Twitter):


Wirkt real? Auf den ersten Blick schon. Zoomt man jedoch näher in die vermeintlichen Fotos hinein und schaut sie sich genauer an, so stellt man schnell fest, dass es sich um computergenerierte Grafiken handelt – und nicht um tatsächliche Fotografien. Auch einige Details in den “Fotografien” wirken dann unstimmig.

Erstellt, bzw. generiert wurden diese Grafiken von der KI-gestützten Bildgenerator-Software “Midjourney” mit Prompts von u.a. Eliot Higgins, der das Strafverfahren gegen Donald Trump wegen einer vermeintlichen Schweigegeldzahlung verfolgte.

Die über die sozialen Netze zirkulierten “Fotos” sorgten für einige Verwirrung, sodass u.a. die BBC darüber berichtet hat. Sie zeigen aber vor allen Dingen die Fähigkeiten auf, die KI-unterstützte Systeme mittlerweile haben, um die Grenzen von Wirklichkeit und Nachahmung verschwimmen zu lassen.

Grafik-KI playgroundai.com

Auch mit der Applikation playgroundai.com (PlaygroundAI) lassen sich nicht weniger erstaunliche Ergebnisse erzielen.

Beispielsweise gibt sie bei der Aufforderung, eine Grafik zu erstellen, die eine Künstliche Intelligenz bei der Rechtsausübung in einem Gerichtssaal zeigt, folgendes Ergebnis aus:


Urheberrecht und Künstliche Intelligenz?

Eine Frage, die sich in Ansehung der zahlreichen KI-generierten Kreationen aufdrängt, ist die nach dem Urheberrecht. Wem “gehören” also “KI-Werke”?

Die überraschende Antwort – zumindest nach überwiegender Meinung – unter Zugrundelegung der derzeitigen Rechtslage: Niemandem. KI-generierte Werke unterfallen nicht dem Schutz des deutschen Urheberrechts.

Denn gem. § 2 Abs. 2 UrhG sind “Werke im Sinne dieses Gesetzes” nur “persönliche geistige Schöpfungen”. Das bedeutet, dass nur eine natürliche Person, also ein Mensch, Urheber sein kann – nicht hingegen eine Künstliche Intelligenz (“persönliche Schöpfung”). Darüber hinaus muss das Werk, das Schutz genießen will, eine “geistige Schöpfung” sein – also unter Zuhilfenahme des menschlich-kognitiven Denk- und Kreativitätsappartes entstanden. Diese Schöpfungshöhe kommt deshalb KI-generierten Werken nicht zu.

Unter umgekehrten Vorzeichen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn urheberrechtlich geschützte Werke (also Texte, Zeitungsartikel, Fotos, Kunstwerke usw.) in eine Künstliche Intelligenz zu Trainingszwecken eingebracht (“eingefüttert”) werden. Diese Auffassung vertritt beispielsweise die New York Times – und hat Microsoft und OpenAI wegen der massenhaften Nutzung ihrer Schriftwerke verklagt.

Die rapiden Entwicklungen im Rahmen von Systemen künstlicher Intelligenz werden künftig also Gerichte, Parlamente und Politik intensiv beschäftigen – nicht zuletzt, um zumindest den Versuch zu unternehmen, rechtliche Leitplanken und Rahmenbedingungen für die Verwendung von KI-Systemen zu finden. Die Europäische Union ist hier bereits mit dem Entwurf ihrer KI-Verordnung vorgeprescht.