Wohl kaum ein Thema wird in der Öffentlichkeit kontroverser diskutiert und ist umstrittener als das so genannte “Gendern”. Dabei handelt es sich um den – nach hier vertretener Auffassung gleichsam untauglichen und einigermaßen unbeholfenen – Versuch, als vermeintlich “diskriminierend” oder “ausgrenzend” wahrgenommene, gewachsene semantische, grammatikalische oder auch ausdrucksweise Elemente der deutschen Sprache im Hinblick auf das (biologische oder “gefühlte”) Geschlecht durch tiefgreifende sprachliche Eingriffe “zu korrigieren”. Kürzlich hat sich dieses Gendern mit dem deutschen Urheberrecht messen müssen – und verloren, wie ein aktueller Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg (Az. 308 O 176/21) zeigt.
Wie funktioniert Gendern?
Wie die eingangs beschriebene, vermeintliche Sprachkorrektur stattzufinden hat, beschäftigt mittlerweile ganze Fakultäten, ist selbst unter den Befürwortern derartigen Neusprechs umstritten und kann hier unmöglich abschließend besprochen werden. Nur so viel: Vertreten werden von der gleichzeitigen Verwendung der männlichen und weiblichen Form über die Einführung eines s.g. “Gender-Sternchens” (“Autor*innen”) oder “Gender-Gaps” (“Autor_innen”) alle möglichen (und unmöglichen) Varianten – bis hin zur faktischen Neuerfindung von vermeintlich geschlechtsneutralen Wort- und Begriffsendungen.
Seinen Ursprung hatte das Gendern vermutlich zunächst in der s.g. Feminismus-Bewegung – und hat, darauf aufbauend, ganz offensichtlich eine Art Eigenleben entwickelt.
Gendern: Politische Sprachkorrektur vs. Urheberrecht
Nunmehr hat die gender-gelenkte, systematische Sprachveränderung erstmal ihren Meister im deutschen Urheberrecht gefunden. Was war also im aktuellen Fall vor dem Landgericht Hamburg (dort geführt unter dem Aktenzeichen 308 O 176/21) geschehen?
Gestritten haben sich eine Autorin und ein Verlag. Die Autorin und spätere Klägerin hatte für ihren Verlag (die spätere Beklagte) einen Artikel verfasst.
In diesem Zusammenhang hatte die Autorin dem Verlag mehrfach klar und deutlich mitgeteilt, dass sie s.g. “Gendern” ablehne und deshalb u.a. auch Mitglied im Verein Deutsche Sprache (VDS e.V.) sei. Dieser Verband setzt sich international für die Bewahrung der deutschen Sprachkultur ein und steht u.a. in deutlicher Opposition zum s.g. “Gendern”.
Ihren mit dem Verlag vereinbarten Artikel reichte die Autorin folgerichtig in korrektem Deutsch, also in nicht “gegenderter” Form ein und wies ausdrücklich darauf hin, dass sie eine redkationelle Änderungen ihres Textes im Hinblick auf s.g. “gendergerechte Sprache” ablehne.
Der Verlag akzeptierte dies zunächst, sodass die Autorin den von ihr verfassten Artikel final zur Veröffentlichung freigab.
Nach der Veröffentlichung des Artikels musste die Autorin jedoch feststellen, dass trotz der entsprechenden Zusage des Verlages Änderungen am streitgegenständlichen Text vorgenommen worden waren: U.a. hatte der Verlag das Wort “Zeichner” durch die Formulierung “zeichnende Person” ersetzt, ohne dass die Urheberin, also die Autorin, zugestimmt hatte.
Die Autorin fühlte sich dadurch in ihrem Urheberrecht an ihrem Text und darüber hinaus auch in ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt.
Nach erfolgloser Abmahnung erhob die Autorin Klage vor dem Landgericht Hamburg und begehrte, dem Verlag bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung des Artikels – sei es online oder im Print-Format – zu verbieten.
Parteien vergleichen sich vor dem Landgericht Hamburg
Ein streitiges Urteil hat es in der hiesigen Auseinandersetzung am Ende indes nicht gegeben. Denn die Parteien haben sich schlussendlich verglichen.
Auslöser für den Vergleich war ganz offensichtlich die seitens des Gerichts geäußerte vorläufige Rechtsauffassung, wonach die klagende Autorin mit ihrem Unterlassungsbegehren weitgehend durchdringe.
Die Parteien einigten sich infolgedessen darauf, dass der Verlag für die Online-Veröffentlichung des Artikels fortan die nicht “gegenderte”, von der Autorin verfasste Originalfassung des Textes verwendet. Auf den Rückruf und die Vernichtung der bereits gedruckten und versendeten Printexemplare des Artikels verzichtete die Klägerin.
Ratio: Urheberrecht ist zu respektieren
Trotz der Tatsache, dass das Landgericht Hamburg im hiesigen Fall keine abschließende Entscheidung treffen musste, zeigt der Verlauf des Rechtsstreits doch eines: Das Urheberrecht und das mit ihm einhergehende Persönlichkeitsrecht des Urhebers sind selbst dann zu beachten, wenn der (potentielle) Vertragspartner (wie hier der beklagte Verlag) eine (sprach-)politische Agenda wie das Gendern verfolgt.
Autoren sollten diese Entscheidung dazu nutzen, zukünftig mit neuem Selbstbewusstsein – auch und gerade gegenüber Verlagen – aufzutreten.
Sie haben Fragen oder Anmerkungen zum Artikel? Schreiben Sie mir gerne.