Eine Rezension zu Ferdinand von Schirachs “Jeder Mensch” – von Karsten Gröger.
Ferdinand von Schirach hat ein neues Buch geschrieben. Nun, besser gesagt, ein Büchlein – denn das Werk mit dem gewohnt schlichten, aber gleichwohl bedeutungsschwangeren Titel “Jeder Mensch” umfasst nur gut 30 Seiten. Es ist kein Roman, keine Kurzgeschichte und auch keine Sammlung solcher. Nein, dieses Mal hat Ferdinand von Schirach etwas ganz Eigenes geschaffen. Kurz gesagt: Er erfindet – und fordert – nichts weniger als sechs neue Menschenrechte im Range europäischen Rechts. Und doch ist “Jeder Mensch” kein juristisches Lehrbuch, keine staatsrechtliche Fachschrift und auch kein wirklich politisches Pamphlet. Ferdinand von Schirach schlägt mit großen Worten den Bogen von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 über die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 in Frankreich und gelangt schließlich in die Gegenwart der Europäischen Union. Auf diese Weise missversteht – und schmälert – er nicht nur die herausragende Bedeutung zweier der wichtigsten staatsphilosophischen Papiere der Menschheit, er hebt die Europäische Union gleichzeitig in einen Rang, der ihr nicht zukommt und auch niemals zukommen darf.
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