Bürokratieentlastung der “Ampel” ist zahnloser Tiger

Das Bundesjustizministerium unter dessen FDP-Minister Buschmann hatte sich die Entlastung der Bürger und der Wirtschaft von der überbordenen deutschen Bürokratie auf die Fahnen geschrieben. Nun hat die Bundesregierung den Entwurf eines „Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ (Bürokratieentlastungsgesetz IV) beschlossen. Gerade vor dem Hintergrund neuer Belastungen durch “Heizungsgesetz” (Gebäudeenergiegesetz) und die Aufblähung des Verwaltungsapparates mit “Kindergrundsicherung” und Co. erweist sich die geplante Bürokratieentlastung als zahnloser Tiger und verpasst den versprochenen großen Wurf deutlich. Wir stellen die Neuregelungen hier vor.

“Kürzere” Aufbewahrungsfristen im Handels- und Steuerrecht

Als wesentlicher Pfeiler der Bürokratieentlastung werden mit der Neuregelung die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten im Handels- und Steuerrecht von zehn auf acht Jahre verkürzt. Unternehmen sollen entsprechende Belege damit früher als bisher entsorgen und damit “erhebliche Kosten” sparen können.

Bürokratieentlastung für Hotels und Beherbergungsunternehmen

Wer bislang in Deutschland ein Hotel, eine Ferienwohnung oder Pension – etwa für Urlaub, Geschäftsreise oder Ähnliches – besucht hat, ist verpflichtet, sich unter Vorlage eines Ausweisdokuments (wie etwa Personalausweis, Reisepass oder ID-Card) zu identifizieren und amtlich zu melden.

Damit ist künftig zumindest für deutsche Staatsangehörige Schluss. Die Meldepflicht entfällt insoweit. Für EU-Bürger und Gäste aus Drittstaaten bleibt jedoch alles beim Alten. Hier müssen Hoteliers weiterhin personenbezogene Meldedaten erfassen.

Text- statt Schriftform

U.a. im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) soll das Schriftformerfordernis in angemessenem Umfang durch die Textform ersetzt werden sollen. Diese erfordert im Gegensatz zur Schriftform keine “eigenhändige Unterschrift” und kann zum Beispiel durch eine E-Mail, eine SMS oder eine Messenger-, bzw. Chatnachricht erfüllt werden. Diese Änderungen sind unter anderem im Arbeitsrecht, im Vereinsrecht und im Gesellschaftsrecht geplant. Zukünftig sollen Arbeitsverträge in Textform geschlossen werden können. Vereinsmitglieder sollen ihre Zustimmung zu einem Beschluss außerhalb einer Mitgliederversammlung textlich erklären können. Selbiges soll für Gesellschafter einer GmbH gelten, so alle einverstanden sind. Entsprechende Erleichterungen sind auch bei Schuldverschreibungen und Depots geplant.

Zentrale Vollmachtsdatenbank für Steuerberater

Steuerberatende Berufe haben bereits jetzt die Möglichkeit, Vollmachten ihrer Mandanten zentral bei einer von der Finanzverwaltung eingerichteten Vollmachtsdatenbank zu hinterlegen. Dies soll helfen, u.a. bei einem Wechsel des zuständigen Finanzamtes nicht jedes Mal neu die Bevollmächtigung nachweisen zu müssen. Die Bürokratieentlastung der Bundesregierung sieht nun vor, dass es eine solche Datenbank auch bei den Sozialversicherungsträgern geben soll.

Öffentliche Online-Versteigerungen

Öffentliche Versteigerungen sollen in Zukunft sowohl online, vor Ort oder aber in einer gemischten Form (sowohl an einem lokalen Versteigerungsort unter Zuschaltung von Online-Teilnehmern) stattfinden können.

Kürzere Fristen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen

Bei Vorhaben, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsehen, sollen die Äußerungsfristen für die Öffentlichkeitsbeteiligung verkürzt werden. Dies jedoch nur dann, wenn Änderungen am Vorhaben eine erneute Beteiligung von Stakeholdern erforderlich machen.

Vereinfachte Abfertigung am Flughafen

Abfertigungszeiten an Flughäfen sollen künftig verkürzt werden. Hierfür soll die Fluggastabfertigung zumindest in Teilen bereits im Vorfeld ditigal erfolgen können. Voraussetzung soll sein, dass der Passagier einwilligt, dass bestimmte Daten aus seinen Reisedokumenten, inbesondere dem Pass ausgelesen werden.

Kritik an “Bürokratieentlastung”

Die Bürokratieentlastung der Bundesregierung ist größtenteils kleinteiliges Stückwerk. Der große Wurf bleibt wieder einmal aus. Nicht nachvollziehbar ist u.a., warum die Reduzierung von Aufbewahrungsfristen von zehn auf achte Jahre zu “erheblichen” Einsparungen bei Unternehmen führen soll – zumal bereits jetzt schon eine digitale Aufbewahrung zulässig ist. In der Zusammenschau mit der Flut an gesetzgeberischen Neuregelungen (wie beispielsweise Gebäudeenergiegesetz und Lieferkettengesetz) dürften die positiven Effekte des Bürokratieentlastungsgesetzes IV verpuffen.

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