Der Widerruf von Krediten und Darlehensverträgen (“Kreditwiderruf”) ist nicht erst seit dem s.g. “Dieselskandal” zu allgemeiner Beliebtheit gelangt. Das mit – vermeintlich oder tatsächlich – fehlerhaften Widerrufsbelehrungen verbundende “ewige Widerrufsrecht” hat in den vergangen Jahren zu einer abenteuerlichen Prozessflut bei deutschen Gerichten geführt, in der versucht worden ist, aus auf Pump finanzierten Produkten – von der PlayStation über das Auto bis zum Mehrfamilienhaus – zusätzlich Kasse zu machen. Diese oft genug rechtsmissbräuchlichen Umtriebe könnten nun für einige Glücksritter ein Nachspiel haben: Denn Zahlungen aus der Rückabwicklung solcher Darlehen unterliegen unter Umständen der Einkommensteuerpflicht, wie eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf zeigt (FG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2022, Az. 11 K 314/20 E).
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Zum Hintergrund: Kreditwiderruf für zwei Wohnungen
Dem vom Finanzgericht Düsseldorf kürzlich entschiedenen Fall lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die späteren Kläger, ein Ehepaar, steuerlich gemeinsam veranlagt, schlossen im Jahr 2007 zwei Darlehensverträge zur Finanzierung zweier Eigentumswohnungen ab. Eine der beiden Wohnungen nutzten sie selbst, die andere vermieteten sie.
Im Jahre 2014 – mithin sieben Jahre nach Vertragsschluss (!) – widerriefen die Kläger die beiden Darlehensverträge mit der Argumentation, sie seien im Rahmen des Abschlusses nicht ordnungsgemäß und der gesetzlichen Form entsprechend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden – natürlich mit der Folge, dass das Widerrufsrecht “ewig”, also ohne Fristwahrung auszuüben sei. Die Eheleute klagten vor den Zivilgerichten.
Hinsichtlich des Kredits für die vermietete Wohnung wies das Landgericht die Klage ab. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung hatte im Ergebnis jedoch insoweit Erfolg, als dass sich die Parteien auf den Inhalt eines Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts einigten: Danach werde der Vertrag rückabgewickelt. Unabhängig davon, dass die Eheleute der Bank Darlehensvaluta und anteiligen Nutzungsersatz zurückzuerstatten hatten, erhielten sie von der Bank ihrerseits gezahlte Raten und Zinsen sowie ebenfalls anteiligen Nutzungsersatz zurück.
Die Zahlungen seitens der Bank auf den Kreditwiderruf erfolgten im Jahr 2017.
Die Veranlagung des Finanzamts
Das Finanzamt hat die Rückzahlung der Nutzungsentschädigung zunächst als Einküfte aus Kapitalvermögen und auch bei den Einküften aus Vermietung und Verpachtung veranlagt. Nach Einspruch der Kläger hat das Finanzamt einen Änderungsbescheid erlassen und die Zahlung der Bank nur noch bei den Kapitaleinkünften berücksichtigt.
Gegen diesen Änderungsbescheid erhoben die Kläger Klage zum Finanzgericht.
Sie begehren die Aufhebung des Bescheides und beantragen zuletzt sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, den letzten Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe der gezahlten Nutzungsentschädigung entfällt.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auf die Darstellung der steuerrechtlichen Ausführungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen wird hier verzichtet, da sie für den rechtlichen Rahmen dieses Beitrages nicht relevant sind.
Kreditwiderruf ist u.U. steuerpflichtig
Das Finanzgericht Düsseldorf stellt fest, dass die Rückzahlung einer Bank nach einem erfolgreichen Kreditwiderruf nicht im Rahmen von Kapitaleinkünften steuerpflichtig ist.
Jedoch handele es sich bei der zurückgewährten Nutzungsentschädigung an die Kläger um eine Leistung, die diese im Vorfeld – während der Geltung des Darlehensvertrages – als (die Einkünfte mindernde) Werbungskosten im Rahmen derer Vermietungstätigkeiten steuerlich abgezogen hätten.
Im Umkehrschluss bedeute die Rückabwicklung des Darlehensvertrages daher, dass einmal abgezogene Werbungskosten in dem Fall, dass sie zurückfließen, unter umgekehrten Vorzeichen wiederum als Einküfnte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern sind.
Das Finanzgericht verpflichtet die Kläger im Ergebnis de facto im Wege der vom Bundesfinanzhof vorgegebenen saldierenden Gesamtbetrachtung zur Veranlagung der Entschädigungszahlungen der Bank bei den Vermietungseinkünften.
Einschätzung
Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf ist konsequent und folgerichtig. Wer glaubt, er könne sich nach sieben Jahren Vertragsdauer erfolgreich darauf berufen, er sei nicht zutreffend über sein Widerrufsrecht belehrt worden und habe das Recht, aus diesem Grund den kompletten Vertrag für null und nichtig erklären, mag – wegen EU-rechtlicher Zwänge – zivilrechtlich obsiegen. Das Steuerrecht hingegen folgt – zu Recht – seinen eigenen Grundsätzen.
Das besprochene Urteil wird steuerliche Konsequenzen – mit Ausnahme von Gewerbetreibenden – auch für andere Einkunftsarten haben. Immer dann wenn Vermögensgegenstände auf Kredit erworben und die Zahlungen darauf steuerlich abgezogen worden sind, darf sich der Steuerpflichtige auf Post vom Finanzamt “freuen” – so er denn seinen Darlehensvertrag nachträglich widerruft.
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