Nach dem erklärten Willen der Bundesregierung und getragen von der s.g. “Ampel-Koalition” soll in Deutschland künftig jeder sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen können. “Die Geschlechter sind frei”, könnte man meinen. Zu diesem Zweck hat das Justizministerium jetzt einen Referentenentwurf zum s.g. “Selbstbestimmungsgesetz” (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften) vorgelegt. Danach soll in Zukunft jeder durch schlichte Erklärung gegenüber dem Standesamt sein “gefühltes” Geschlecht und einen zweckentsprechenden Vornamen bestimmen können. Personenstandsregister und Personaldokumente werden dann angepasst. Bisherige Vorschriften, die sich vor allem nach dem Transsexuellengesetz richteten, sollen abgelöst und modernisiert werden.
Der Hintergrund zum Selbstbestimmungsgesetz
Bereits seit 1981 regelt das Transsexuellengesetz (TSG) die Bedingungen, unter denen Personen, deren Geschlechtsidentität (gefühltes Geschlecht) nicht mit ihrem eingetragenen, also tatsächlichen Geschlecht übereinstimmt, entweder ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister im Rahmen der s.g. großen Lösung oder aber “nur” ihre Vornamen (s.g. kleine Lösung) ändern konnten.
Aufgrund der sensiblen und sich aufgrund des gesellschaftlichen Wandels ständig entwickelnden Materie existieren ein halbes Dutzend Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen jeweils Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt worden sind. Dies betraf u.a. die Notwendigkeit der Ehelosigkeit, die Verpflichtung, operativ Anpassungen der äußeren Geschlechtsmerkmale vornehmen zu lassen, und den Nachweis der irreversiblen Unfruchtbarkeit. All dies, so urteilten die obersten Verfassungsrichter, sei mit Art. 2 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Darüber hinaus gebe es bisher keine spezifische gesetzliche Regelung für s.g. “nichtbinäre” Personen, also Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen (wollen), mit dem Zweck, ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird das TSG analog auf diese Personen angewendet, was u.a. zur Folge hat, dass auch “Nichtbinäre” zwei Gutachten vorlegen müssen, um ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen.
Nach Ansicht der Bundesregierung basiert das bisherige TSG auf einem “veralteten und pathologisierenden Verständnis” von Transgeschlechtlichkeit. Diese sei aber nach überwiegender fachmedizinischer Ansicht keine Krankheit, bzw. pathologische Störung (mehr). Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll diese, als Missstände empfundenen Unzulänglichkeiten ausräumen und die Rechtslage entsprechend modernisieren, entbürokratisieren, erleichtern und vereinheitlichen.
Die Neuregelungen im Selbstbestimmungsgesetz
Der vorliegende Gesetzesentwurf zielt darauf ab, das Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags vor allen Dingen bei s.g. “Abweichungen der Geschlechtsidentität vom eingetragenen Geschlecht” (also für alle diejenigen, die sich in ihrem biologisch-tatsächlichen Geschlecht nicht beheimatet fühlen) zu vereinheitlichen. Dieses Verfahren soll beim Standesamt durchgeführt werden.
Geschäftsfähige Erwachsene sollen ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern können, indem sie eine entsprechende Erklärung beim Standesamt abgeben und hierbei versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag ihrer (gefühlten) Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihnen die “Tragweite der daraus resultierenden Folgen” bewusst ist.
Aber auch für Minderjährige soll dieses neue Verfahren möglich sein. Sie sollen den Antrag zwar nicht allein stellen können. Wenn aber eine beschränkt geschäftsfähige, minderjährige Person älter als 14 Jahre ist, soll sie die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen selbst abgeben können und benötigt lediglich noch die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters.
Stimmt dieser nicht zu, kann der Minderjähre in einem zweiten Schritt sogar das Familiengericht anrufen, das die Zustimmung dann nach den allgemeinen Regeln ersetzen kann, sofern die Änderungen “dem Wohl des Kindes entspricht”.
Bei minderjährigen Personen, die geschäftsunfähig sind oder das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll ausschließlich der gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen abgeben können. Die Bundesregierung plant in diesem Zusammenhang wohl auch den Ausbau und die Stärkung von Beratungsangeboten, insbesondere für Minderjährige.
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz
Der Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz hat bereits jetzt – zu recht – vielfältige Kritik erfahren.
Einzuwenden ist zunächst ganz Grundsätzliches: Das Geschlecht eines Menschen ist im Ausgangspunkt eine biologische Tatsache und als solche – metaphysisch – in der Realität belegen. Das Geschlecht ist zunächst einmal nichts, das der jederzeitigen freien Verfügung des Einzelnen oder dessen “Gefühl” unterliegt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird jeder Mensch als Mann oder Frau geboren. Das Geschlecht im Rechtssinne – also so wie es das Bürgerliche Recht und daran anknüpfend andere Rechtsbereiche seit jeher verstanden haben und verstehen – ist eben kein, wie gerne behauptet wird, “soziales Konzept” (s.g. “Gender”), sondern vielmehr eine rechtliche Anknüpfung an gegebene Tatsachen im Sinne der normativen Kraft des Faktischen.
Diese Feststellung ändert freilich nichts daran, dass die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht in bestimmten Fällen Geschlechtsänderungen – auch mit Rechtswirkung – gebieten können. Diese sind jedoch – statistisch betrachtet – auf Ausnahmen beschränkt.
Aber die Absenkung der Hürden für eine – rein rechtliche – Geschlechtsänderung, die so weit geht, dass ein schlichter Termin beim Standesamt hinlangt, um weitreichende persönliche wie auch rechtliche Folgen auszulösen, ohne dass dies gleichzeitig tatsächliche Folgen einer Geschlechtsanpassung nach sich zieht, wird dem grundsätzlichen Anliegen nicht gerecht und öffnet darüber hinaus Missbrauch Tür und Tor.
Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass man die vereinfachten Geschlechtsumtragungsmöglichkeiten sogar Kindern und Jugendlichen eröffnet – also in einem Entwicklungsstadium, indem sich Persönlichkeit und Sexualität erst noch entwickeln.
Der Gesetzgeber erkennt mit dem Selbstbestimmungsgesetz im Ergebnis an, dass das Geschlecht eines Menschen gerade keine biologische Tatsache mehr sein soll, sondern vielmehr nur noch dem Gefühl, der Laune oder sozialen Gepflogenheiten des Einzelnen unterliegt.
Die Konsequenzen sind bereits jetzt absehbar:
Ist Vater gem. § 1592 BGB noch “der Mann”, der der Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis beigewohnt hat?
Ist Mutter gem. § 1591 BGB noch “die Frau”, die das Kind geboren hat?
Kann ein biologischer Mann durch schiere rechtliche Namens- und Geschlechtsumtragung die Damentoilette, die Damensauna und andere, eigentlich (biologischen) Frauen vorbehaltene intime Einrichtungen besuchen und/oder betreten?
Ermöglicht die vereinfachte Änderungsmöglichkeit (biologischen) Männern die Teilnahme an Frauensportveranstaltungen – mit der logischen Folge, dass diese Menschen dort aufgrund ihrer maskulinen Physis unfaire Wettbewerbsvorteile haben?
Dies sind nur einige wenige Gesichtspunkte der Kritik am neuen Selbstbestimmungsgesetz. Die Praxis wird zeigen, was die Neuregelungen in Zukunft tatsächlich bewirken werden. Der Gesetzesentwurf zeigt einmal mehr, dass die s.g. Ampel-Koalition eine politisch genuin linke und von Gesellschaftsklemnerei getragene Agenda betreibt und gegenüber jeder rationalen Kritik taub ist.
Irgendwie stimmt es also doch, dass in Deutschland zwar jeder sein Geschlecht wählen kann, nicht aber seine Heizung, oder?
Fragen, Kritik oder Anliegen zum Thema können hier gesendet werden.