Ein Studium oder eine sich daran anschließende Promotion sind teuer. Neben Aufwand für Unterrichtsmaterialien, Studiengebühren und Ähnliches bleibt häufig keine Zeit für Nebenjobs oder eine berufliche Tätigkeit, um die Bildungs- oder Forschungsaktivitäten zu finanzieren. Nicht wenige bewerben sich deshalb für ein Stipendium, um – so die Leistungen stimmen – zumindest einen Teil der Kosten und Ausgaben der Bildungsbemühungen finanzieren zu können. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche öffentliche und private Geldgeber, die helfen, das Studium zu bestreiten oder den Doktortitel zu erlangen. Doch: Ist ein solches Stipendium eigentlich steuerpflichtig? Der Bundesfinanzhof hat dazu in einer aktuellen Entscheidung grundsätzliche Hinweise gegeben (BFH, Urteil vom 28.09.2022, Az. X R 21/20).
Was war geschehen? Der Gang des Verfahrens
In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erhielt eine Promotionsstudentin während ihrer Forschungszeit finanzielle Zuwendungen aus dem “Europäischen Sozialfonds” (ESF) in Höhe von 800,00 EUR monatlich. Zusätzlich dazu beteiligte sich ein Privatunternehmen am Stipedium und zahlte ebenfalls weitere 800,00 EUR monatlich an die Doktorandin. Die Fördermittelgeber sitzen im gleichen Bundesland wie die Promotionsstudentin.
Das Finanzamt hat in seiner Veranlagung zur Einkommensteuer den aus dem europäischen Förderfonds gezahlten Teil des Stipendiums nicht berücksichtigt. Es hat gemeint, dieser Teil der Bezüge der späteren Klägerin seien steuerfrei gem. § 3 Nr. 44 EStG. Hinsichtlich des privatwirtschaftlich zugeschossenen Stipediumsteils hat das Finanzamt eine Steuerpflicht bejaht. Diese Einnahmen hat es insoweit als sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gem. §§ 22 Nr. 1 HS 1 EStG veranlagt und dem persönlichen Steuersatz der späteren Klägerin unterworfen.
Der gegen den Steuerbescheid gerichtete Einspruch sowie die Klage vor dem Finanzgericht waren erfolglos. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Revision zum Bundesfinanzhof weiter.
Stipendium steuerpflichtig? Die Entscheidung des BFH
Der Bundesfinanzhof hat die finanzgerichtliche Entscheidung aufgehoben und für weitere Feststellungen an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Für eine Besteuerung eines aus privatwirtschaftlichen Mitteln dargereichten Stipendiums als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG komme es entscheidend darauf an, ob der Begünstigte in irgendeiner wie auch immer gearteten Weise eine Gegenleistung mit wirtschaftlichem Wert zu erbringen habe.
Zwar komme als Gegenleistung das schiere Ableisten des Studiums, bzw. die Abfassung der Doktorarbeit als solche nicht in Betracht. Konkret geprüft werden müsse aber, ob der allgemeinüblichen Verpflichtung, die wissenschaftlichen Erkenntnisse, bzw. die durch das Studium erlangte Qualifikation innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Beendigung der Ausbildung, bzw. Forschung in einem bestimmten Bundesland zu verwerten, ein eigenständiger rechtlicher und wirtschaftlicher Wert zukommen – oder ob es sich hierbei lediglich um eine unselbständige Erwartungshaltung handele. Dies habe das Finanzgericht nicht hinreichend geprüft. Die Sache sei deshalb für weitere Feststellungen zurückzuverweisen.
Die amtlichen Leitsätze des Bundesfinanzhofs:
- Leistungen aus einem Stipendium, die keiner gegenüber den sonstigen Einkünften i.S. von § 22 EStG vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind, sind als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 bzw. Satz 3 Buchst. b EStG steuerbar, wenn der Stipendiat für die Gewährung der Leistungen eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat (Anschluss an Senatsurteil vom 08.07.2020 – X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 28 ff., 36).
- Die Anwendung von § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG setzt nicht die Feststellung voraus, dass der Stipendiengeber im konkreten Einzelfall keine steuerliche Entlastung hinsichtlich der Zahlungen an den Stipendiaten erfahren hat.
- Ein von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziertes Stipendium ist jedenfalls insoweit nicht gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerbefreit, als es unmittelbar von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt, gezahlt wird.
Durch das Urteil des Bundesfinanzhofs dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass ein privates Stipendium steuerpflichtig ist, gestiegen sein.
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