Ayn Rand deutsch: Howard Roarks Verteidigungsrede

Folgen Sie dem einzigartigen Architekten Howard Roark auf seinem Weg im Kampf um Individualismus und Freiheit und gegen eine scheinbar übermächtigte Gesellschaft. “The Fountainhead” ist der erste Bestseller der Amerikanischen Schriftstellerin und Philosophin Ayn Rand und ein eindrucksvolles Plädoyer für persönliche Freiheit. Das Buch war bereits zweimal in deutscher Sprache erschienen und ist derzeit vergriffen. Hier hören Sie die Verteidigungsrede des Hauptprotagonisten, die dieser im 18. Kapitel vor Gericht hält – neu übersetzt in deutscher Sprache.

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Aus dem Amerikanischen übersetzt und gelesen von Karsten Gröger.


Der Architekt Howard Roark steht vor Gericht. Er ist angeklagt, die Baustelle des Wohnprojektes “Cortlandt” gesprengt zu haben – ein Bauvorhaben, das er gestaltet hat und das von Akteuren einer scheinbar übermächtigen kollektivistischen Gesellschaft entstellt und verstümmelt worden ist. Seine Verteidigungsrede ist ein flammendes Plädoyer für Freiheit und Individualismus.


Howard Roark: “Euer Ehren, ich benenne keine Zeugen für die Verteidigung. Dies ist gleichzeitig mein Plädoyer und mein letztes Wort.”

Richter: “Leisten Sie den Eid.”

Gerichtsdiener: “Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr Ihnen Gott helfe?”

Roark: “Das tue ich.

Vor tausenden von Jahren fand der erste Mensch heraus, wie man Feuer macht. Vermutlich wurde er von seinen Mitmenschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, den er sie gelehrt hatte, anzuzünden. Sie betrachteten ihn als Missetäter, der sich mit einem Dämon gemein gemacht hatte, den die Menschen fürchteten. 

Doch anschließend verfügten die Menschen über Feuer, um sich warm zu halten, ihr Essen zu kochen und ihre Höhlen zu beleuchten. 

Er hinterließ ihnen ein Geschenk, das sie nicht begriffen hatten – und befreite die Welt auf diese Weise von Dunkelheit. 

Jahrhunderte später erfand der erste Mensch das Rad. Vermutlich wurde er von seinen Mitmenschen auf der Werkbank gerädert, die er sie gelehrt hatte, zu bauen. Sie betrachteten ihn als Sünder, der sich auf verbotenes Terrain begeben hatte. 

Doch anschließend konnten die Menschen bis über den Horizont hinaus reisen. 

Er hinterließ ihnen ein Geschenk, das sie nicht begriffen hatten – und ebnete so die Straßen dieser Erde.

Dieser Mensch, der ungehorsame und erste, steht im Eröffnungskapitel einer jeden Legende, die sich seit ihrer Entstehung ins Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat. Prometheus wurde an einen Felsen gekettet und von Geiern gequält, weil er das Feuer der Götter gestohlen hatte. Adam wurde zum Leiden verdammt, weil er die Frucht vom Baum der Erkenntnis aß. Wie auch immer die Legende aussieht, irgendwo in den dunkeln Ecken ihrer Erinnerung weiß die Menschheit, dass ihr Ruhm mit einem Einzelnen begann – und dass dieser Einzelne für seinen Mut bezahlt hatte. 

Über die Jahrhunderte hinweg gab es Menschen, die neue Wege beschritten – bewaffnet mit nichts als ihren eigenen Visionen. 

Ihre Ziele waren unterschiedlich, aber sie alle hatte eines gemeinsam: Dass der Schritt der erste war, der Weg ein neuer, die Vision einmalig und die Reaktion, die sie erhielten – Hass. Die großen Schöpfer – die Denker, die Künstler, die Wissenschaftler, die Erfinder – standen den Mitmenschen ihrer Zeit allein gegenüber. Jeder neue große Gedanke wurde angefeindet. Jede neue große Erfindung bloßgestellt. Der erste Motor galt als töricht, das Flugzeug als unmöglich, der Maschinenwebstuhl als teuflisch, Anästhesie als Sünde. 

Und doch gingen die visionären Menschen voran – sie kämpften, sie litten und sie bezahlten. Aber sie gewannen. 

Keiner der Schöpfer war davon angetrieben, seinen Mitmenschen zu dienen – denn seine Mitmenschen lehnten das Geschenk ab, das er anbot; war es doch geeignet, ihren bisherigen Lebenswandel zu zerstören. 

Seine Wahrheit war sein einziges Motiv. Seine eigene Wahrheit, die es auf die eigene Weise zu erreichen galt. Eine Symphonie, ein Buch, eine Maschine, eine Philosophie, ein Flugzeug oder ein Gebäude – dies waren sein Ziel und sein Leben. Nicht aber diejenigen, die das, was er geschaffen hatte, hörten, lasen, einsetzten, ausübten, nutzten oder bewohnten. Die Schöpfung, nicht die Nutzer. Die Schöpfung, nicht die Vorteile, die andere daraus zogen. Die Schöpfung, die seiner Wahrheit Ausdruck verlieh. Und mit dieser Wahrheit trat er allen Dingen und allen Menschen entgegen. 

Seine Vision, seine Stärke und sein Mut entsprangen seinem eigenen Geist. Der Geist eines Menschen ist jedoch jeweils sein eigener – dasjenige, das man Bewusstsein nennt. Zu denken, zu fühlen, zu urteilen und zu handeln – das sind Funktionen des Selbst. 

Die Schöpfer waren nicht selbstlos. Es ist das ganze Geheimnis ihrer Kraft, dass sie sich selbst genügt, dass sie selbstmotiviert und selbsterschaffen ist. Ein erster Grund, ein Quell der Energie und Lebenskraft, eine Art erster Beweger. 

Der Schöpfer diente nichts und niemandem. Er lebte für sich selbst. Und nur indem er für sich selbst lebte, war er in der Lage, die Dinge zu erschaffen, die den Ruhm der Menschheit darstellen. Das ist die Natur des Erschaffens. 

Ein Mensch kann nur durch seinen Verstand überleben. Er kommt unbewaffnet zur Welt. Sein Hirn ist seine einzige Waffe. Tiere sorgen für ihr Futter, indem sie Gewalt anwenden. Doch der Mensch hat keine Klauen, keine Fänge, keine Hörner und keine großartige Muskelkraft. Sein Essen muss er anpflanzen oder jagen. Um zu pflanzen, bedarf er eines Gedankenprozesses. Um zu jagen, braucht man Waffen – und für Waffen bedarf es eines Gedankenprozesses. Von der einfachsten Notwendigkeit bis zur höchsten religiösen Abstraktion, vom Rad bis zum Wolkenkratzer entstammt alles, was wir sind und alles, was wir haben einer einzigen Eigenschaft des Menschen – der Funktion seines vernunftbegabten Verstandes. 

Aber der Verstand ist eine Eigenschaft des Einzelnen. So etwas wie ein kollektives Gehirn oder ein kollektives Denken existiert nicht. Eine Vereinbarung, die eine Gruppe von Menschen trifft, ist lediglich ein Kompromiss, ein Durchschnitt aus vielen verschiedenen individuellen Gedanken. Sie ist nur eine zweitrangige Folge. Die primäre Handlung – nämlich den Prozess des Denkens – muss jeder Mensch für sich selbst vollführen. Wir können ein Essen unter vielen Menschen aufteilen, aber wir können es nicht in einem gemeinsamen Magen verdauen. Kein Mensch kann seine Lungen benutzen, um für einen anderen zu atmen. Kein Mensch kann sein Gehirn benutzen, um für einen anderen zu denken. Alle Funktionen des Körpers und Geistes sind privat. Sie können nicht geteilt oder weitergegeben werden. 

Wir erben die Produkte der Denkprozesse anderer. Wir erben das Rad. Wir erschaffen den Wagen. Aus dem Wagen wird das Automobil und aus dem Automobil das Flugzeug. Doch über den gesamten Prozess hinweg, ist das, was wir bekommen, immer nur das Endprodukt des Denkens anderer. Die treibende Kraft jedoch ist das schöpferische Können, das das Produkt als Material betrachtet, es sich zunutze macht und dann den nächsten Schritt entwickelt. Dieses kreative Können kann nicht hergegeben oder angenommen, mit anderen geteilt oder ausgeborgt werden. Es gehört dem einzelnen, individuellen Menschen. Und das, was es erschafft, ist das Eigentum seines Schöpfers. 

Menschen lernen voneinander. Doch alles Lernen ist immer nur der Austausch von Material. Kein Mensch kann einem anderen die Fähigkeit geben, zu denken. Und doch ist diese Fähigkeit unser einziges Überlebensinstrument. Denn nichts ist dem Menschen auf Erden gegeben. Alles, was er braucht, muss zunächst hergestellt werden. Und an dieser Stelle sieht sich der Mensch einer grundsätzlichen Wahl gegenüber: Er kann nur auf eine von zwei verschiedenen Arten überleben – durch die unabhängige Leistung seines eigenen Verstandes oder als Parasit, der sich von Verstand der anderen ernährt. 

Der Schöpfer erzeugt. Der Parasit kopiert.

Der Schöpfer erkennt die Natur wie sie ist. Der Parasit erkennt sie nur durch Zwischenhändler. 

Der Schöpfer befasst sich mit der Eroberung der Natur. Der Parasit mit der Eroberung des Menschen. 

Der Schöpfer lebt für seine Arbeit, er braucht keine anderen Menschen. Sein hauptsächliches Ziel liegt in ihm selbst. Der Parasit lebt aus zweiter Hand. Er braucht andere. Andere werden zu seinem Hauptanliegen. 

Das Grundbedürfnis des Schöpfers ist Unabhängigkeit. Denn der vernunftbegabte Verstand kann unter keiner Form von Zwang arbeiten. Er kann nicht gezügelt, geopfert oder welcher Überlegung auch immer untergeordnet werden. Er verlangt vollständige Unabhängigkeit in seiner Funktionsweise und in seinen Motiven. Deswegen sind für einen Schöpfer alle Beziehungen mit anderen Menschen zweitrangig.

Das Grundbedürfnis des Schmarotzers hingegen ist es, seine Verbindungen zu anderen Menschen aufrecht zu erhalten, um an Nahrung zu gelangen. Für ihn sind Beziehungen wichtig. Er erklärt, dass Menschen für andere leben müssen. Er lehrt Altruismus. 

Altruismus ist die Doktrin, die verlangt, dass Menschen für andere leben müssen und dass man andere wichtiger nehmen muss als sich selbst. Aber kein Mensch kann für einen anderen leben. Er kann weder seinen Körper noch seinen Geist teilen. Doch der Schmarotzer hat Altruismus als Ausbeutungswaffe benutzt und auf diese Weise die Grundprinzipien menschlicher Moral in ihr Gegenteil verkehrt. Seither wurde den Menschen jedes nur erdenkliche Gebot gelehrt, das den Schöpfer in ihnen zerstört. 

Den Menschen wurde Abhängigkeit als Tugend gelehrt. Doch nur der Mensch, der versucht, für andere zu leben, ist ein Abhängiger. Er ist schon seiner Haltung nach ein Parasit und macht Parasiten aus denen, denen er dient. Die Beziehung führt zu nichts als gegenseitiger Verdorbenheit. Sie ist konzeptionell unmöglich. Das, was ihr in der Wirklichkeit am nächsten kommt – der Mensch, der lebt, um anderen zu dienen – ist der Sklave.

Doch wenn schon körperliche Sklaverei anstößig ist, wie viel mehr anstößiger ist dann das Konzept der Sklaverei des Geistes?

Dem eroberten Sklaven verbleibt ein Rest an Ehre. Ihm bleibt das Verdienst, Widerstand geleistet zu haben und seine Situation als schlecht zu betrachten. Doch der Mensch, der sich freiwillig im Namen der Liebe versklavt, ist die niederträchtigste aller Kreaturen. Er verachtet die Würde des Menschen und er entwürdigt das Konzept der Liebe. Aber genau das ist das Prinzip des Altruismus.

Den Menschen wurde beigebracht, dass die höchste Tugend nicht darin bestehe, etwas zu erreichen, sondern darin, zu geben. Und doch kann man nichts hergeben, was nicht produziert wurde. Schöpfung kommt vor Verteilung – denn andernfalls gibt es nichts zu verteilen. Die Bedürfnisse des Schöpfers haben Vorrang vor denen seiner Nutznießer. Und trotzdem lehrt man uns, die Schmarotzer zu bewundern, die Geschenke, die sie nicht produziert haben, an diejenigen verteilen, die die Geschenke ermöglichten. Wir verehren einen Akt der Wohlfahrt – aber wir verachten den Akt der Schöpfung. 

Den Menschen wurde gelehrt, dass es ihre erste Pflicht sei, das Leiden anderer zu lindern. Doch Leiden sind wie Seuchen – wenn sie jemanden treffen, dann hilft und unterstützt man. Dies aber zur obersten Bewährungsprobe der Tugend zu erheben, bedeutet, Leiden zum wichtigsten Bestandteil des Lebens zu machen. Dann müsste man sich wünschen, andere leiden zu sehen, um überhaupt tugendhaft sein zu können. Dies ist die Natur des Altruismus. 

Der Schöpfer hingegen beschäftigt sich nicht mit Leiden, sondern mit dem Leben. Und doch hat die Arbeit des Schöpfers ein Leiden nach dem anderen, sei es körperlicher oder geistiger Art, ausradiert. Er hat die Menschheit von mehr Formen des Leides befreit, als ein Altruist jemals begreifen könnte.

Den Menschen wurde gelehrt, dass es tugendhaft sei, anderen zuzustimmen. Doch der Schöpfer ist derjenige, der widerspricht.

Den Menschen wurde gelehrt, dass es tugendhaft sei, mit dem Strom zu schwimmen. Doch der Schöpfer ist derjenige, der gegen den Strom schwimmt. 

Den Menschen wurde beigebracht, dass es tugendhaft sei, zusammenzustehen. Doch der Schöpfer ist derjenige, der alleine steht. 

Den Menschen wurde gelehrt, dass das Ego das Synonym des Bösen sei und Selbstlosigkeit ein Tugendideal. Doch der Schöpfer ist der Egoist im absoluten Sinne und der selbstlose Mensch derjenige, das nicht denkt, fühlt, urteilt oder handelt. Denn dies sind die Funktionen des Selbst. 

An dieser Stelle ist die Umwertung der Grundprinzipien am verheerendsten. Die Frage wurde pervertiert und den Menschen keine Alternative gelassen – und keine Freiheit. Als Pole von Gut und Böse bot man den Menschen zwei Konzepte an: Egoismus und Altruismus. Unter Egoismus verstand man, andere für das eigene Wohlergeben zu opfern. Unter Altruismus, sich selbst für andere zu opfern. Dies fesselte die Menschen unumkehrbar an andere Menschen und ließ ihnen nichts als eine Wahl des Schmerzes: Eigener Schmerz, der zum Wohle anderer ertragen werden muss oder aber Schmerz, der fürs eigene Wohl anderen zugefügt wird. Als man schließlich hinzufügte, dass Menschen Freude an Selbstaufopferung finden sollten, schnappte die Falle zu – und die Menschen waren gezwungen, Masochismus als Ideal anzuerkennen, liefen sie doch Gefahr, dass ansonsten Sadismus die einzige Alternative war. Das war der größte Betrug, der jemals an der Menschheit verübt worden ist. Dies war die Art und Weise, auf die Abhängigkeit und Leiden als Grundfesten des Lebens installiert worden sind. 

Doch die Wahl besteht nicht zwischen Selbstaufopferung und Herrschaft. Sie besteht zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit. Dem Credo des Schöpfers oder dem des Schmarotzers. Dies ist das wahre Grundproblem. Es beruht auf der Alternative zwischen Leben und Tod. Das Credo des Schöpfers beruht auf den Bedürfnissen des vernunftbegabten Verstandes, der es Menschen erlaubt, zu überleben. Das Credo des Schmarotzers hingegen beruht auf einem Verstand, der lebensunfähig ist. 

All das, was vom unabhängigen Selbst des Menschen ausgeht, ist gut. Und all das, was von menschlicher Abhängigkeit untereinander ausgeht, ist böse. 

Der Egoist im absoluten Sinne ist kein Mensch, der andere opfert. Er ist ein Mensch, der es nicht nötig hat, andere überhaupt in irgendeiner Weise zu benutzen. Er funktioniert nicht durch sie und er befasst sich nicht hauptsächlich mit ihnen. Nicht hinsichtlich seiner Ziele, seiner Motive, seines Denkens, seiner Wünsche, seiner Lebenskraft. Er existiert nicht für irgendeinen anderen Menschen – und er verlangt von anderen nicht, für ihn zu existieren. Dies ist die einzige Form der Bruderschaft und des gegenseitigen Respekts, die zwischen Menschen möglich ist. 

Menschen haben unterschiedliche Grade an Befähigung, doch das Grundprinzip bleibt immer das gleiche: Der Grad menschlicher Unabhängigkeit, Initiative und Liebe für die Arbeit bestimmen das Talent als Arbeiter und den Wert als Mensch. Unabhängigkeit ist der einzige Maßstab für menschliche Tugend und Werte. Was ein Mensch ist und was er aus sich macht – und nicht, was oder was nicht er für andere getan hat. Es gibt keinen Ersatz für die eigene Würde. Es gibt keinen Standard für persönliche Würde außer Unabhängigkeit. 

In allen funktionierenden Beziehungen existiert keine Aufopferung von irgendwem für irgendwen. Ein Architekt braucht Klienten. Doch er ordnet seine Arbeit nicht deren Wünschen unter. Sie brauchen ihn – aber sie bestellen ein Haus nicht nur deshalb, um ihm einen Auftrag zu geben. Menschen tauschen ihre Arbeit in freiwilliger gegenseitiger Übereinkunft zu gegenseitigem Vorteil aus, wenn ihre jeweiligen Interessen übereinstimmen und beide den Austausch wollen. Wenn nicht, zwingt keiner sie, miteinander zu handeln. Dann suchen sie weiter. Dies ist die einzig mögliche Form einer Beziehung zwischen Gleichen. Alles andere sind Beziehungen zwischen Sklave und Meister oder Opfer und Henker. 

Keine Arbeit wird jemals kollektiv erledigt, durch Mehrheitsentscheidung. Jedes schöpferische Werk entsteht unter der Anleitung eines einzelnen, individuellen Gedankens. Ein Architekt benötigt eine große Zahl an Menschen, die sein Gebäude errichten. Doch er bittet sie nicht, über seine Gestaltung abzustimmen. Sie arbeiten in freiwilliger Übereinkunft zusammen und ein jeder arbeitet frei in seiner konkreten Funktion. Ein Architekt benutzt Stahl, Glas und Zement – produziert von anderen. Doch die Materialien bleiben schlicht nur Stahl, Glas und Zement, bis der Architekt sich ihnen widmet. Was er mit ihnen anstellt, ist sein individuelles Produkt und sein Eigentum. Dies ist das einzige Muster für ordentliche Zusammenarbeit zwischen Menschen. 

Das erste Recht auf Erden ist das Recht des Einzelnen. Des Menschen oberste Pflicht besteht sich selbst gegenüber. Sein moralisches Gesetz ist es, sein oberstes Ziel niemals in anderen Personen zu suchen. Seine moralische Pflicht ist es, zu tun, was er selbst wünscht – vorausgesetzt, dass dieser Wunsch nicht vordergründig von anderen abhängt. Und dies schließt die gesamte Sphäre seiner Kreativität und Schöpfungskraft, seines Denkens und Arbeitens ein. Es betrifft jedoch nicht die Sphäre des Gangsters, des Altruisten oder des Diktators. 

Ein Mensch denkt und arbeitet alleine. Doch ausbeuten, rauben oder herrschen kann ein Mensch nicht alleine. Raub, Ausbeutung und Herrschaft setzen Opfer voraus. Sie implizieren Abhängigkeit. Sie sind das Gebiet der Schmarotzer. 

Menschliche Herrscher sind keine Egoisten. Denn sie erschaffen nichts. Sie existieren ausschließlich durch andere. Ihr Ziel liegt allein in ihren Untergebenen, im Akt der Versklavung selbst. Sie sind genauso abhängig wie der Bettler, der Sozialarbeiter oder der Räuber. Die Form der Abhängigkeit spielt keine Rolle. 

Doch hat man den Menschen beigebracht, die Schmarotzer – Tyrannen, Kaiser, Diktatoren – als Aushängeschilder des Egoismus zu betrachten. Mithilfe dieses Betruges haben sie das Ego, sich selbst und andere zerstört. Zweck des Betrugs war die Zerstörung der Schöpfer – oder ihre Nutzbarmachung, was dasselbe ist.

Seit Anbeginn der Geschichte stehen sich die beiden Gegenspieler von Angesicht zu Angesicht gegenüber: der Schöpfer und der Schmarotzer. Als der erste Schöpfer das Rad erfand, reagierte der erste Schmarotzer: Er erfand Altruismus. 

Der Schöpfer – verleugnet, angefeindet, verfolgt und ausgebeutet – schritt voran, machte weiter und trug die gesamte Menschheit mit sich auf seinen Schultern. Der Schmarotzer trug absolut nichts dazu bei außer die Hindernisse. Dieser Wettbewerb hat auch einen Namen: das Individuum gegen das Kollektiv. 

Das ‚Gemeinwohl‘ eines Kollektivs – einer Rasse, einer Klasse, eines Staates – war Grund und Rechtfertigung einer jeden Tyrannei, die über Menschen errichtet worden ist. Alle großen Schrecken der Geschichte wurden im Namen eines altruistischen Motivs begangen. Hat jemals auch nur ein egoistischer Akt für ein Gemetzel gesorgt, das denjenigen, die durch altruistische Motive angerichtet worden sind, auch nur nahekommt? Liegt der Fehler in menschlicher Hybris oder aber vielmehr im Grundprinzip selbst? Die furchtbarsten Schlächter waren die ernsthaftesten. Denn sie glaubten an die perfekte Gesellschaft, die es mit der Guillotine und Erschießungskommandos zu errichten galt. Niemand hinterfragte ihr Recht zu morden, solange sie für ein altruistisches Motiv mordeten. Es war anerkannt, dass manche Menschen für andere Menschen geopfert werden mussten. Die Akteure wechseln, doch die Tragödie bleibt die gleiche. Ein Menschenfreund, der mit Liebeserklärungen an die Menschheit anfängt und sich am Ende in einem Meer aus Blut wiederfindet. Es geht so weiter und es wird so weitergehen, solange die Menschen glauben, dass eine Handlung gut sei, wenn sie selbstlos ist. 

Dies erlaubt es den Altruisten, das Heft des Handelns an sich zu reißen und ihre Opfer die Folgen zu ertragen. Die Führer von kollektivistischen Bewegungen fordern nichts für sich selbst. Doch schauen Sie sich die Ergebnisse an! Das einzig Gute, das Menschen füreinander tun können und die einzige Beschreibung einer guten mitmenschlichen Beziehung lautet: Hände weg!

Und nun schauen Sie sich die Ergebnisse einer Gesellschaft an, die auf den Grundsätzen des Individualismus beruht. Dieses, unser Land! Das edelste Land in der Geschichte der Menschheit. Das Land der größten Errungenschaften, des größten Wohlstandes, der größten Freiheit. Dieses Land basiert nicht auf selbstlosem Gemeinschaftsdienst, Opfertaten, Verzicht oder irgendeinem anderen altruistischen Motiv. Es beruht auf dem Recht eines jeden Einzelnen auf Streben nach Glück. Seinem eigenen Glück. Nicht dem Glück eines anderen. Ein privates, persönliches, egoistisches Motiv. Schauen Sie sich die Ergebnisse an! Schauen Sie in ihr eigenes Gewissen!

Es ist ein alter Konflikt und die Menschen kamen der Wahrheit schon sehr nahe. Doch wurde sie ein ums andere Mal wieder zerstört und eine Zivilisation fiel nach der anderen. Zivilisation – das ist der Fortschritt hin zu einer Gesellschaft der Privatheit. Denn die gesamte Existenz der Wilden ist öffentlich, bestimmt von den Stammesregeln. Zivilisation ist ein Prozess, den Menschen von der Herrschaft des Menschen zu befreien. 

Und nun, in unserem Zeitalter, hat sich das alte Monster, der Kollektivismus, die Herrschaft des Schmarotzers, losgerissen und läuft Amok. Es hat den Menschen ein Ausmaß an intellektueller Unanständigkeit beschert, das seinesgleichen sucht. Es hat eine beispiellose Schreckensherrschaft errichtet. Es hat nahezu jeden Verstand vergiftet. Es hat ganz Europa verschlungen. Und nun bedroht es unser Land. 

Ich bin ein Architekt. Ich weiß, dass man Grundlagen braucht, auf die man etwas aufbauen kann. Wir steuern auf eine Welt zu, in der ich es mir nicht mehr erlauben kann, zu leben.

Und nun wissen Sie, weshalb ich Cortlandt in die Luft gejagt habe. 

Ich habe Cortlandt gestaltet. Ich habe es Ihnen gegeben. Und ich habe es zerstört. 

Ich habe es zerstört, weil ich entschieden habe, es nicht existieren zu lassen. Es war ein Monster in zweifacher Hinsicht: Der Form und der Bedeutung nach. Beides musste ich vernichten. Die Form wurde von zwei Schmarotzern verstümmelt, die sich das Recht anmaßten, ein Werk zu verbessern, das sie nicht gestaltet hatten und dem sie niemals hätten gleichkommen können. Erlaubt wurde ihnen dies von der allgemeinen Ansicht, dass der altruistische Zweck des Gebäudes alle Rechte übersteige und es mir nicht zustehe, etwas dagegen zu tun.

Ich habe mich bereit erklärt, Cortlandt zu gestalten, um es genauso errichtet zu sehen, wie ich es gestaltet hatte – und zu keinem anderen Zweck. Das war der Preis meiner Arbeit. Doch ich wurde nicht bezahlt.

Ich mache Peter Keating keinen Vorwurf. Er war hilflos. Er hatte einen Vertrag mit seinen Arbeitgebern, der missachtet wurde. Er hatte das Versprechen, dass die Struktur, die er anbot, so errichtet wird, wie sie gestaltet wurde. Das Versprechen wurde gebrochen. Die Liebe eines Mannes zur Integrität seiner Arbeit und dessen Recht, sie zu erhalten, wird mittlerweile als nicht greifbar, unklar und unwichtig betrachtet. Sie haben den Staatsanwalt das sagen hören. Warum wurde das Gebäude entstellt? Grundlos. Solche Dinge haben nie einen bestimmten Grund – außer natürlich die Selbstgefälligkeit einiger Schmarotzer, die glauben, sie hätten das Recht, über fremdes Eigentum – materiell oder immateriell – zu bestimmen. Wer hat ihnen gestattet, es zu tun? Keiner von den dutzenden Leuten in der Verwaltung. Es kümmerte niemanden, es zu gestatten oder zu stoppen. Niemand ist verantwortlich. Und niemand kann zur Verantwortung gezogen werden. So ist das immer mit kollektiven Handlungen. 

Ich jedenfalls habe nicht diejenige Bezahlung erhalten, die ich gefordert hatte. Aber die Eigentümer von Cortlandt bekamen von mir, was sie brauchten. Sie wollten einen Plan, um eine Struktur so günstig zu bauen wie möglich. Sie fanden keinen anderen, der das zu ihrer Zufriedenheit leisten konnte. Ich konnte es und tat es. Sie nahmen den Nutzen meiner Arbeit und zwangen mich, ihn zu verschenken. Aber ich bin kein Altruist. Ich mache keine Geschenke dieser Art. 

Es ist gesagt worden, ich hätte das Zuhause der Armen zerstört. Es wird vergessen, dass die Armen ohne mich dieses spezielle Zuhause niemals gehabt hätten. Diejenigen, die sich um die Armen kümmern wollten, mussten zu mir kommen, um ihnen helfen zu können, zu jemandem, der nicht mit den Armen befasst ist. Es wird angenommen, dass die Armut der späteren Bewohner ihnen ein Recht an meiner Arbeit einräumt. Dass deren Not einen Anspruch auf mein Leben begründet. Dass es meine Pflicht sei, alles zu erfüllen, was von mir verlangt wird. Das ist das Credo der Schmarotzer, das nun die Welt verschlingt. 

Ich bin hierhergekommen, um zu erklären, dass ich niemandes Recht auf auch nur eine einzige Minute meines Lebens, auf einen Bruchteil an meiner Leistung oder auf irgendeine meiner Errungenschaften anerkenne. Völlig egal, wer das verlangt, wie viele es sind und wie groß deren Not auch sein mag. 

Ich bin hiergekommen, um zu erklären, dass ich kein Mensch bin, der für andere existiert. 

Es musste gesagt werden. Die Welt geht in einer Orgie der Selbstaufopferung unter.

Ich bin hierhergekommen, um zu erklären, dass die Integrität eines Menschen für seine schöpferische Arbeit von größerer Bedeutung ist als jede Form der Wohltätigkeit. Diejenigen unter Ihnen, die das nicht begreifen, sind die, die die Welt zerstören.

Ich bin hierhergekommen, um meine Ansichten deutlich zu machen. Ich bin nicht daran interessiert, auf Kosten anderer zu leben.

Ich erkenne keinerlei Pflichten gegenüber anderen Menschen an außer eine: Nämlich deren Freiheit zu respektieren und nicht an einer Sklavengesellschaft teilzunehmen. Die zehn Jahre, die ich im Gefängnis sitzen werde, wenn mein Land nicht mehr existiert, möchte ich gerne diesem, meinem Land widmen. Ich werde die Zeit in Erinnerung und Dankbarkeit an das verbringen, was mein Land einst gewesen ist. Das wird mein Treuebeweis sein – und meine Weigerung, in dem Land zu leben und zu arbeiten, das an seine Stelle getreten ist. 

Mein Treuebeweis gegenüber jedem Schöpfer, der jemals gelebt hat und der leiden musste unter der Gewalt, die für das Cortlandt verantwortlich ist, das ich in die Luft gesprengt habe. Gegenüber jeder qualvollen Stunde der Einsamkeit, der Ablehnung, der Verzweiflung und der Misshandlung, die er erdulden musste – und gegenüber den Schlachten, die er gewonnen hat. Gegenüber jedem Schöpfer, dessen Name bekannt ist. Und gegenüber jedem Schöpfer, der lebte, kämpfe und unerkannt zugrunde ging, bevor er erfolgreich war. Gegenüber jedem Schöpfer, der in Körper und Geist zerstört wurde. Gegenüber Henry Cameron. Gegenüber Steven Mallory. Und gegenüber einem Mann, der nicht genannt werden will, aber der hier im Gerichtssaal sitzt und weiß, dass ich von ihm spreche.


Das Buch “The Fountainhead” ist auf deutsch derzeit nicht erhältlich. Wir arbeiten dran. Schauen Sie sich doch solange die englische Originalfassung an:


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