Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in seiner aktuellen Entscheidung (Az.: I ZR 149/18) die umstrittene Abmahnpraxis der „Deutschen Umwelthilfe“ (Deutsche Umwelthilfe e.V.) bestätigt.
Die Karlsruher Richter kamen zu dem Schluss, dass der wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme durch die „Deutsche Umwelthilfe“ nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 8 Abs. 4 UWG entgegengehalten werden kann.
Deutsche Umwelthilfe und Rechtsmissbrauch
Die Vorschrift lautet:
„Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.“
Was war geschehen?
Bei dem nun in letzter Instanz vom Bundesgerichtshofs entschiedenen Fall hatte die „Deutsche Umwelthilfe“ die Betreiberfirma eines Autohauses zunächst im Wege der Abmahnung, anschließend im Wege der Klage auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Autohaus hatte bei seiner Online-Werbung für Neufahrzeuge nicht die nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnungerforderlichen Pflichtinformationen zu Kraftstoffverbrauch und Kohlenstoffdioxid-Ausstoß, bzw. Stromverbrauch vorgehalten.
Der Gang des Verfahrens
Das Autohaus weigerte sich in der Folge, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und hielt die Inanspruchnahme durch die „Deutsche Umwelthilfe“ für sachlich unbegründet, jedenfalls aber rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG. Im erstinstanzlichen Prozess vor dem Landgericht Stuttgart obsiegte die „Deutsche Umwelthilfe“ (LG Stuttgart, Urteil vom 13.12.2016, Az. 41 O 31/16 KfH) und setzte sich auch im von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart durch (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.08.2018, Az. 2 U 165/16).
Die Beklagte wand in beiden Verfahren u.a. ein, dass es der „Deutschen Umwelthilfe“ nicht primär um Marktüberwachung, bzw. den Schutz von Verbraucherinteressen gehe, sondern um Gewinnerzielung durch massenhafte Abmahnungen. Indizien dafür seinen u.a. die erzielten Überschüsse, die Verwendung dieser Gewinne, die Höhe der entrichteten Geschäftsführergehälter, die Zugrundelegung eines überhöhten Streitwertes i.H.v. 30.000 EUR sowie die Tatsache, dass der Verein Spenden in nicht unerheblicher Höhe u.a. vom Automobilkonzern Toyota entgegennehme.
Deutsche Umwelthilfe Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof schloss sich nunmehr im Revisionsverfahren, in dem nur noch über Zulässigkeitsfragen gestritten wurde, der Rechtsansicht der „Deutschen Umwelthilfe“ an. Diese sei einerseits als s.g. „qualifizierte Einrichtung“ nach § 4 Abs. 1 UKlaG und § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt und zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche im Verbraucherinteresse berechtigt.
Andererseits greife, so der BGH, der Einwand des Rechtsmissbrauchs im Ergebnis nicht durch. Er führt aus:
Überschüsse aus einer Marktverfolgungstätigkeit und ihre Verwendung (auch) für andere Zwecke, als die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Verbraucherinteresse, sind jedenfalls solange kein Indiz für eine rechtmissbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen, wie der Verbraucherschutz durch Marktüberwachung als Verbandszweck nicht lediglich vorgeschoben ist, tatsächlich aber nur dazu dient, Einnahmen zu erzielen und damit Projekte zu finanzieren, die nicht dem Verbraucherschutz durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen dienen.
BGH, Az. I ZR 149/18
Auch die anderen von der Beklagten vorgetragenen Indizien ließ der Bundesgerichtshof nicht ausreichen, um Rechtsmissbrauch anzunehmen. So sei die Anzahl an ausgesprochenen Abmahnungen für sich genommen noch kein ausreichender Beleg für rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme – denn wo viele Wettbewerbsverstöße begangen werden, sei auch eine dementsprechende Zahl an Abmahnungen – quasi als Korrektiv – angezeigt.
Des Weiteren stehe die Höhe der von der „Deutschen Umwelthilfe“ gezahlten Geschäftsführergehälter nicht außer Verhältnis zu deren Tätigkeit. Diese Ausgaben machten lediglich einen kleinen Teil der jährlichen Gesamtaufwendungen der Klägerin aus.
Die Streitwerthöhe rechtfertige ebenfalls nicht die Annahme von Rechtsmissbrauch, denn diese halte sich innerhalb von den Instanzgerichten angenommenen Gegenstandswerten in vergleichbaren Verfahren.
Schließlich begründe auch die Tatsache, dass die „Deutsche Umwelthilfe“ Spenden von Toyota entgegennimmt, kein die Anspruchsberechtigung ausschließendes rechtsmissbräuchliches Verhalten. So konnte das Gericht nicht feststellen, dass es bei der Anspruchsverfolgung durch die Klägerin und deren Kampagnenpolitik zu signifikanten Ungleichbehandlungen zwischen Toyota einerseits und konkurrierenden Automobilkonzernen andererseits gekommen sei.
Einwand des Rechtsmissbrauchs bleibt zahnloser Tiger
Die Entscheidung hat einmal mehr gezeigt, dass das Instrument des Rechtsmissbrauch-Einwands nicht geeignet erscheint, als übermäßig empfundenes Abmahnverhalten wirksam einzudämmen. Daran wird auch das geplante und mittlerweile als Referentenentwurf vorliegende „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ nichts ändern.
Der Gesetzgeber sollte unserer Meinung nach zukünftig de lege ferenda zwei grundlegende Entscheidung treffen und diese dann konsequent und konsistent umsetzen:
- Soll die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts wie bisher im Wege des Privatrechts erfolgen und in den Händen der Mitbewerber, bzw. ggf. Verbände verbleiben oder soll stattdessen – ähnlich wie im Kartellrecht – eine Behörde damit befasst werden?
- Soll die Verbandsklagebefugnis – und damit das Entstehen s.g. „Abmahnvereine“ – bestehen bleiben, ausgeweitet oder abgeschafft werden?
Mit der grundlegenden Beantwortung dieser beiden Fragen und ihrer folgerichtigen Umsetzung wäre der Rechtssicherheit von Unternehmen und Mitbewerbern besser geholfen als aller paar Jahre hier und da eine Stellschraube nachzujustieren, um als politisch opprtun empfundene Korrekturen umzusetzen (etwa Streitwertbegrenzung, Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“ u.Ä.).
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